
Neurologische klinische Indikationen
Zahlreiche wichtige neurologische Erkrankungen gehen mit einer Autoimmun-Pathophysiologie einher, was die Behandlung auf Grundlage konventioneller Ansätze erschwert. Dabei hat sich die therapeutische Apherese als eine wertvolle und wichtige Behandlungsform bei neurologischen Erkrankungen erwiesen, z. B. beim Guillain-Barré-Syndrom, bei Myasthenia gravis und anderen peripheren Erkrankungen. Starkes Interesse besteht auch an Fortschritten bei der Anwendung extrakorporaler Techniken zur Behandlung idiopathischer Enzephalitis und einer Untergruppe der Patienten mit Multipler Sklerose. Ausserdem hat man in einem neuen Forschungsgebiet begonnen, die Möglichkeiten der therapeutischen Apherese zur Verbesserung kognitiver Funktionen von Patienten mit vaskulärer Demenz zu untersuchen.
Guillain-Barré-Syndrom
Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine akut einsetzende, meist monophasisch verlaufende, immunvermittelte Erkrankung des peripheren Nervensystems. Oft geht dem Einsetzen des GBS eine unauffällige Infektion – z. B. eine Infektion der oberen Atemwege – etwa zwei Wochen voraus. Dabei sind Gefühls- oder Schmerzveränderungen und Muskelschwäche typische Anfangssymptome, die in den Füssen und Händen beginnen. Die dokumentierten Inzidenzraten von GBS liegen bei 1-2 pro 100.000 Personen. Zur Senkung des hohen IgG-Plasmaspiegels, der für das GBS charakteristisch ist, kann beim Patient entweder ein Plasmaaustausch erfolgen (eine eher unselektive Methode), oder es können Techniken der Immunadsorption angewendet werden, die IgG selektiv reduzieren. LIGASORB® ist ein selektiver, regenerierbarer Einweg-IgG-Adsorber zur Behandlung akuter Exazerbation von Autoimmunerkrankungen.1
Myasthenia gravis
Bei Myasthenia gravis (MG) handelt es sich um eine langfristige neuromuskuläre Erkrankung, die zu unterschiedlich stark ausgeprägter Muskelschwäche führt. Erworbene MG stellt eine Störung der neuromuskulären Übertragung dar, die durch die Bindung von Autoantikörpern an Komponenten der neuromuskulären Endplatte entsteht, am häufigsten an den Acetylcholinrezeptor (AChR). Hierdurch werden Nervenimpulse daran gehindert, Muskelkontraktionen auszulösen. Die Inzidenz von MG liegt zwischen 0,3 und 2,8 pro 100.000 Personen, und Schätzungen zufolge sind von der Erkrankung weltweit mehr als 700.000 Menschen betroffen. Derzeitige Behandlungsmöglichkeiten für die Langzeittherapie sind Cholinesterasehemmer, Immunsuppression und Thymektomie. Bei akuten Krisen besteht das vorrangige Ziel in einer raschen Senkung erhöhter IgG-Spiegel. Hierzu kann entweder ein Plasmaaustausch vorgenommen werden, der eine eher unselektive Methode darstellt, oder es können Techniken der Immunadsorption eingesetzt werden. LIGASORB® ist ein selektiver, regenerierbarer Einweg-IgG-Adsorber zur Behandlung akuter Exazerbation von Autoimmunerkrankungen.1
Autoimmun-Enzephalitis
Autoimmun-Enzephalitis ist eine erst seit kurzem anerkannte Erkrankung, die zunehmend als signifikante Hirnerkrankung diagnostiziert wird und mit einem gestörten Immunsystem zusammenhängt. Zu den Symptomen gehören Bewusstseinsveränderungen, kognitiver Abbau, Krampfanfälle, abnorme Bewegungen und schwerere neuronale Störungen. Dabei richten sich Autoantikörper gegen Strukturproteine, die auf der Oberfläche von Nervenzellen im zentralen Nervensystem exprimiert werden. Eine immunsuppressive Behandlung mit Medikamenten, Plasmaaustausch und intravenösen Immunglobuline (IVIG) kann sich als unzureichend erweisen. Dagegen kann der Einsatz von Immunadsorption ergänzend zur Immunsuppressionstherapie bei Patienten mit Oberflächenantikörpern die Genesung beschleunigen.2
Multiple Sklerose
Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste Erkrankung des zentralen Nervensystems bei jungen Erwachsenen. Sie beinhaltet einen immunvermittelten Prozess, der gegen die Myelinzellen des zentralen Nervensystems (ZNS) gerichtet ist. Die Symptome sind nicht vorhersehbar. Es handelt sich jedoch oft um eine Erkrankung, die zu Behinderung führt. Ein therapeutischer Plasmaaustausch oder die Immunadsorption zur Entfernung von Antikörpern ist bei Patienten indiziert, die nicht oder nur in geringem Masse auf eine immunsuppressive Therapie ansprechen.3,4
Vaskuläre Demenz
Neben der bekannten Hypothese in Bezug auf die Ablagerung von Beta-Amyloid-Plaques scheint vaskuläre Demenz auch eine wichtige Rolle bei Entwicklung und Progression kognitiver Beeinträchtigungen zu spielen. Dabei geben neue Erkenntnisse Aufschluss über agonistische Autoantikörper, die gegen die adrenergen Rezeptoren der Gefässe gerichtet sind (v. a. α1-Rezeptoren) und eine Minderdurchblutung der Hirnstrukturen bewirken. Hieraus hat sich die These ergeben, dass bei Demenzpatienten der Einsatz semiselektiver Immunadsorption zur Beseitigung dieser Autoantikörper vorteilhaft sein könnte. Neuere Studien haben gezeigt, dass Patienten, bei denen Alzheimer-Demenz diagnostiziert wurde, in etwa 40 % der Fälle an IgG-Antikörpern leiden.5 Es ist bekannt, dass eine Immunadsorption mit Immunosorba® den kognitiven Abbau gestoppt hat.6 Derzeit werden weitere Studien durchgeführt, um die Validität dieses neuartigen Behandlungsansatzes zu bestätigen.
Andere Indikationen
Neben den genannten Indikationen kann therapeutische Apherese auch bei weiteren Indikationen zum Einsatz kommen:
- Chronisch-entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) 7, 8
- Lambert-Eaton-Syndrom 9
- Morvan-Syndrom 10
1 Instruction for use (IFU) LIGASORB®, Art. Nr. F00001564, 35840318 / Mar.–May 2016
2 Dogan et al, Immunoadsorption therapy in autoimmune encephalitides. Neurology 26 Feb. 2016; 3(2): 207. Retreived from http://nn.neurology.org
3 Dorst et al, (2016) Immunoadsorption with regenerating columns in treatment of steroid-refractory relapse in multiple sclerosis and optic neuritis. Multiple Sclerosis Journal (Foster City) 3: 178.
4 Schneidewind et al, Immunoadsorption: A new therapeutic possibility for multiple sclerosis? Transfusion Science Mar. 1998; 19 Suppl: 59–63.
5 Karczewski et al, Agonistic autoantibodies to the α(1) -adrenergic receptor and the β(2) -adrenergic receptor in Alzheimer's and vascular dementia. Scandinavian Journal of Immunology May 2012; 75(5): 524–30.
6 Hempel et al, Immunoadsorption of agonistic autoantibodies against α1-adrenergic receptors in patients with mild to moderate dementia. Therapeutic Apheresis and Dialysis Oct. 2016; 20(5): 523–29.
7 Zinman et al, A pilot study to compare the use of the Excorim staphylococcal protein immunoadsorption system and IVIG in chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy. Transfusion and Apheresis Science Nov. 2005; 33(3): 317-24.
8 Rech et al, Remission of demyelinating polyneuropathy with immunoadsorption, low dose corticosteroids and anti-CD20 monoclonal antibody. Therapeutic Apheresis and Dialysis June 2008; 12(3): 205–8.
9 Baggi et al, Effect of IgG immunoadsorption on serum cytokines in MG and LEMS patients. Journal of Neuroimmunology 15 September 2008; 201/202: 104–10.
10 Schwartz et al, Guidelines on the use of therapeutic apheresis in clinical practice-evidence-based approach from the Writing Committee of the American Society for Apheresis: The sixth special issue. Journal of Clinical Apheresis 28 July 2013; 28(3): 145–284.